Kategorien
Allgemein

Redebeitrag der Linksjugend Chemnitz anlässlich des 5.3.

Es ist rund 80 Jahre her, da starben durch das Handeln von Nationalsozialisten:Innen unter Hitlers Führung über 6 Millionen Jüd:innen. Für wen diese Zahl nicht deutlich genug ist, hier ein Vergleich:Das Land El Salvador in Südamerika hat 6,421 Millionen Einwohner. Durch die Folgen, welche Hilters Massenmord mit sich brachte, würde das südamerikanische Land ausgelöscht sein.Auch deutsche Großstädte wie Berlin, Hamburg und Köln wären bevölkerungslos.
Systematisch wurden damals von 1941-1945 fast sämtliche Jüd:innen im deutschen Machtbereich enteignet, gefoltert und ermordet. Dinge, welche nie in Vergessenheit geraten sollten.
Am 13.Februar2021 waren wir bei den Gegenprotesten in Dresden-Am Hauptbahnhof wurde ein Banner gehisst mit der Aufschrift:„Ihr nennt es Befreiung, wir nennen es Massenmord!“ Passiert ist erst wenig und das Banner wird eine ganze Weile von der Polizei toleriert. Ein gutes Beispiel dafür worum es rechten Kräften an diesem Tag geht. Aus Tätern werden Opfer und die Alliierten, welche Europa vom deutschen Faschismus befreiten,zu eine Grundübel.
Die Bombardements welche Dresden, Chemnitz und viele andere deutsche Städte erleben mussten, waren Akte, welche viele Opfer fanden. Dennoch kann man keine dieser Angriffe mit dem systematischen Massenmord an der jüdischen Gesellschaft vergleichen oder gar gleichsetzen.Der Opfermythos, mit welchen Neo-Nazis und AFD-Abgeordnete die Taten der Vergangenheit leugnen und ihre eigenen Aktion legitimieren, sollte uns zum Nachdenken anregen, denn er ist nicht aus der Luft gegegriffen, sondern knüpft an Mythen, welche in einer Bevölkerung vorhanden sind, welche von einer wirklichen Aufarbeitung weit entfernt sind. Nach dem 2. Weltkrieg gab es kurz die Nürnberger Prozesse, bei denen einige Täter angeklagt und teilweise verurteilt wurden. Aber was geschah dann, was geschah in der Bevölkerung? Ein großes Schweigen, welches eine ganze Generation geprägt hat, es wurde nicht über die Gräueltaten, über den alltäglichen Horror, den jüdische Menschen durch die ganz normale Bevölkerung erlebt haben, geredet. Wer war wo beteiligt? Wer war wo dabei? Was haben mein Nachbar, mein Vater, meine Großeltern mitgemacht? Ist das Aufarbeitung? Wohl eher nicht, genau so kann sich der Mythos noch heute festhalten. Die Zerstörung Dresdens als „unbedeutende und unwichtige Kulturstadt“, dass diese Erzählung direkt aus dem Propaganda Ministerium Goebbels kommt, interessiert Teile der Gesamtbevölkerung in Dresden bis heute nicht. So finden wir in vielen Erzählungen über die deutschen bombardierten Städte noch Nazi-Propaganda, die bis heute wirkt. Denn es sei ja wichtig, den eigenen Gefallenen zu gedenken. Kollektiv? Ohne Grund und Täter zu benennen? Nein, Danke. Diese Art der Aufarbeitung von Verantwortung machte es auch Fritz Bauer unmöglich Adolf Eichmann in Deutschland anzuklagen, da der Justizapperat und auch Teile des gefolgten Regierungsapparat stark mit Nazis besetzt waren, welche auch noch aktiv Aufarbeitung verhinderten. So zieht es sich seit dem durch die deutsche Geschichte, dass die Menschen, die Dinge klar beim Namen nennen und Aufarbeitung wollten, stets in der Minderheit und zu einem großem Teil jüdische Menschen waren. Sieht so Aufarbeitung und sich wirklich mit dem Geschehenen Auseinandersetzen aus?  Nicht mal im Ansatz. Es gab die Generation des Schweigens und Vertuschens, danach kam eine Generation des nicht Fragens oder können eure Eltern erzählen, was die Großeltern in der Nazizeit getan haben? Wo sie dabei waren? Das wird in den seltensten Fällen der Fall sein. Auch wenn wir es uns anders wünschen würden, gab es mit der 68er Bewegung zwar Proteste und Versuche nachzufragen, aber auch hier waren sie leider nicht in der Mehrheit. Oft werden aus den Tätern Opfer, denn oft sind in der Erzählung alle Opfer des Krieges und außerdem waren Oma und Opa im Widerstand. Nach historischen Schätzungen waren 0,3 % der Bevölkerung im NS, die Verfolgten geholfen haben. In wieweit die Erzählungen von Widerstand da der Wahrheit entsprechen, kann sich jede:r selbst ausrechnen. Was für die Angehörigen von über 6 Millionen Jüd:innen wohl eher als Hohn , als als Sühne wahrgenommen werden kann. Nun besteht die Gefahr, dass eine Generation des Schlussstrichs entsteht, eine Generation die der Meinung ist, sie hätten nichts damit zu tun, seien nicht dafür verantwortlich. Geschichte, müßte ja irgendwann Geschichte gelassen werden. Genau das ist perfekt für Nazis in der AfD, welche vom Vogelschiss sprechen oder DDR und NS auf eine Ebene stellen. 
Jedoch muss Mensch nicht auf die rechten Strukturen schauen, um zu merken was passiert. Das Sagbare wird verschoben, die Geschichte wird geleugnet, kleingeredet oder es entstehen Vergleiche, welche so sehr zum Himmel schreien, dass Mensch einfach nur kotzen könnte.
So sehen wir es auch gerade in der Verschwörungsmythen-Bewegung. Es werden Dinge dekontextualisiert, Menschen, welche nicht in Restaurants gehen können und Masken auf Grund einer weltweiten Pandemie tragen müssen, verstehen sich als die neuen Jüd:innen. Ein Verständnis welche bei einer wirklichen Aufarbeitung gar nicht möglich wäre. Hier zeigt sich wie perfide die Geschichtsverdrehung geworden ist, wenn solche Dinge möglich sind. So etwas sollte von einer Gesellschaft nicht geduldet oder gebilligt werden. Äußerungen wie am 17.11.2020 bei der Querdenkerdemontation in Karlsruhe. „Ich fühle mich wie Anne Frank, wo sie muksmäuschen still sein musste, um nicht erwischt zu werden“. Sind geschitzrevisionistisch und antisemitisch und genau als dieses zu benennen und abzulehnen.
Wohin eine Gesellschaft, die sich nicht hinter die Opfer stellt und ganz klar Geschehenes und die eigene Verantwortung dazu benennt führen kann, zeigte sich im Oktober 2019.  Stephan B. versuchte bewaffnet in die Synagoge in Halle einzudringen.Ziel der Tat: die jüdische Gemeinde töten, die an diesem Tag Yum Kippur feiert, den höchsten jüdischen Feiertag.Er tötete2 Menschen und verletzte weitere.Hierbei wurde der Anschlag live im Internet übertragen. Der Täter ist davon überzeugt, dass Jüd:innen den muslimischen Immigrationsstrom nach Europa steuern. Der Verschwörungsmythos des „Großen Austausches“.Seiner Meinung nach, seien Jüd:innen die treibende Kraft hinter dem Plan die christliche Bevölkerung gegen eine muslimische in Europa auszutauschen. Bei der Tat war er allein, in Gedanken nicht. Denn er ist die Spitze von einem immer noch großen Problems in Deutschlands, dem Antisemitismus. Dabei geht es nicht nur um die Abneigung gegenüber einer Weltreligion, sondern um die Vernichtung jüdischen Lebens. So knüpfen auch antisemitische Stereotype an viele Propagandaelemente, die Nazis zur Isolation und Vernichtung jüdischen Lebens genutzt haben. Ob es Dämonisierungen, Verkürzungen oder Verschwörungen sind, sie münden oft in die absolute Vernichtung oder Ausgrenzung. Jüdische Menschen können in Deutschland nicht frei und angstfrei Leben und das alles nach einer sich immer wieder als selbstgeläuterten gebenden Gesellschaft. Sowie in der Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern, wird genauso beim aktuellen Antisemitismus geschwiegen, relativiert, bis es Attentate oder rechte Gruppen nicht mehr zulassen. Dabei geht es um elemetare Probleme in dieser Gesellschaft, die aber nur die Spitze des Eisbergs ist. Schafft es diese Gesellschaft nicht, Dinge beim Namen zu nennen, wie den weit verbreiteten Antisemitismus und ganz klare Verantwortungen ganzer Generationen, werden jüdische Menschen sich nie sicher fühlen können in dieser Gesellschaft. Dazu brauch es konkrete Arbeit, die beim Benennen von Ursachen und Tätern genau an solchen Tagen beginnt und klare Unterstützung jüdischen Lebens und Anerkennungsarbeit und Arbeit gegen Antisemitismus beinhaltet.Dazu ist es ein langer Weg und dafür gilt es zu kämpfen.
Der 1. September ist der internationale Friedenstag.  Aktionen wie der Täterspurenmahngang sind genau das, was es an den Tagen der Bombardierung brauch. Es bleibt ganz klar zu sagen, sowas kommt von sowas und eine Opfer/Täter-Umkehr zu verhindern. Jeder Mensch von euch kann auch etwas tun, stellt Fragen an eure Eltern, an eure Großeltern, hinterfragt was Erzählung sind und was wissenschaftlich geprüft wirklich geschah, besucht Zeitzeug:innen-Arbeit, geht an die Orte an denen die Dinge geschehen sind und schreitet, wo es nur geht gegen Geschichtsrevisionismus ein und bezieht ganz klar Stellung gegen Antisemitismus. Eine wirkliche Aufarbeitung ist noch lang nicht geschehen und braucht jede Auseinandersetzung.An Tagen, wie heute gilt es gegen das Vergessen, Verdrehen und Verharmlosen zu kämpfen, egal wer es tut.An die Opfer der Nazis erinnern, heißt kämpfen und an Tagen wie diesen die Täter zu benennen , das ist unsere Pflicht als Antifaschist*innen. Kein Schlussstrich Niemals!
„Denn es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen!“