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„Nazis? Antifas?…Alles Extremist_innen!“

Häufig sehen sich antifaschistisch engagierte Menschen bei Gesprächen mit weniger bis gar nicht politisierten Freund_innen und Bekannten mit so oder so ähnlich lautenden Aussagen konfrontiert: „Ich bin ja auch gegen Nazis, aber die Antifa …, die ist doch genauso schlimm! Mit denen will ich auch nichts zu tun haben“. Mal abgesehen davon, dass es DIE Antifa gar nicht gibt, sondern eine Vielzahl sehr verschiedenartiger und eigenständiger antifaschistischer Gruppen existiert, lassen solchen Aussagen erkennen, dass die aussprechende Person eine besondere Herrschaftsideologie verinnerlicht hat. Es handelt sich um die sogenannte „Extremismustheorie“. Diese geht, vereinfachend dargestellt, davon aus, dass, neben einem „guten“, die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ (FDGO) der BRD anerkennenden, „mittleren“ Spektrum politischer Parteien, Organisationen und Personen, am linkem und rechtem Rand „extremistische“ Positionen vertreten seien, die beide in ähnlicher Art und Weise eben diese FDGO ablehnen und sie auch mit den gleichen, gewaltsamen Mitteln abschaffen wollen würden, weshalb sie vom demokratischen Staat gleichermaßen zu bekämpfen seien. Versinnbildlicht wird dies zumeist mit einem Hufeisen, das zudem die vermeintliche Gleichartigkeit und Nähe sog. „linksextremer“ zu „rechtsextremen“, d.h. nationalsozialistischen oder faschistischen Positionen verdeutlichen soll.

Der Extremismusbegriff wurde 1973 erstmals vom Bundesamt für Verfassungsschutz gebraucht und hat sich seitdem im Sprachgebrauch staatlicher Institutionen durchgesetzt. Weiterhin fand er durch eine Reihe sog. „Extremismusforscher_innen“, mit z.T. sehr guten Verbindungen zu eben diesen staatlichen Institutionen, wie z.B. dem an der TU Chemnitz lehrenden Politikwissenschaftler Eckhard Jesse, Verbreitung in den bundesdeutschen Sozialwissenschaften, wobei ihn jedoch ebenso eine beachtliche Anzahl an Wissenschaftler_innen als „unterkomplex“ ablehnt.

Das alles wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht dieser fragwürdigen „Theorie“, abseits vom akademischen „Elfenbeinturm“ und dröger, deutscher Amtsstuben, in der tagtäglichen politischen und gesellschaftlichen Praxis eine unheilvolle Wirkungsmächtigkeit zukommen würde. So ist die „Extremismustheorie“ zugleich offizielle Doktrin insbesondere unionsgeführter Bundes- und Landesregierungen. In Sachsen z.B. ist sie Teil des Lehrplans an Schulen, was die Häufigkeit und Verbreitung eingangs erwähnter Einstellungen z.T. erklärt. Noch verheerender ist jedoch, dass mit den 2011 von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder eingeführten, von der sächsischen Staatsregierung besonders eilfertig auf Landesebene umgesetzten sog. „Extremismusklauseln“ Projekte und Initiativen sowie deren Partner_innen, die sich gegen menschenverachtende Ideologien der Ungleichwertigkeit aller Art einsetzen, unter den Generalverdacht gestellt werden, „extremistisch“, ergo „verfassungsfeindlich“ zu sein. Hier wird die ganze Absurdität einer „Theorie“ deutlich, die bei ihrer Fixierung auf die „gute“, politische „Mitte“ geflissentlich übersieht, dass in eben dieser „Mitte“ menschenverachtende, mit der FDGO unvereinbare Einstellungen weit verbreitet sind, wie es z.B. die Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ der Forschungsgruppe des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung nachweist.

Was kann gegen eine solche Ideologie nun getan werden? Nötig ist beständige politischgesellschaftlichen Kritik und Aufklärung, die den Ideologiecharakter eben jener „Theorie“ offenlegt. Ein Schritt, den jede_r problemlos umsetzen kann, ist, den Extremismusbegriff aus dem eigenen Sprachgebrauch zu verbannen. Nazis und andere Faschist_innen sollten als das, was sie sind, bezeichnet werden, nämlich u.a. Rassist_innen, Antisemit_innen, etc. Denn jede Verwendung des Begriffs „rechtsextrem“ legt nahe, reproduziert gar die Vorstellung, dass die, die sich gegen deren Umtriebe engagieren, ja ähnlich „finstere Gestalten“ sind.