Es ist seit Jahren dasselbe Bild: Am 05.03. veranstaltet die Chemnitzer Nazi-Szene ihren geschichtsrevisionistischen, sogenannten „Gedenkmarsch“, um an die Zerstörung der vermeintlich „unschuldigen Stadt“ am Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern. Das Bild, welches das „offizielle Chemnitz“ und insbesondere Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig dabei abgibt, hat sich jedoch in den letzten Jahren geändert – und das unserer Meinung nach nicht zum Besseren.
Gab es 2011 zumindest noch halbherzige Versuche der Oberbürgermeisterin den Nazis entgegenzutreten, so wurde dieser Anspruch im Jahr 2012 zugunsten symbolischen „Protests“ und „Gedenkens“, à la Dresdner „Menschenkette“, auf dem Chemnitzer Neumarkt aufgegeben. Die Nazis, örtlich weit davon entfernt im Stadtteil Bernsdorf, beeindruckte das erwartungsgemäß wenig. Sie konnten ihr schauriges Schauspiel aufführen, wenn sie auch durch den lautstarken Protest zahlreicher Antifaschist_innen zumindest akustisch beeinträchtigt wurden. Das hinderte die potentiellen NSU-Unterstützer_innen jedoch nicht, auf einer ihrer Zwischenkundgebung ein makaberes Open-Air-Kino zu veranstalten, das in geschichtsrevisionistischer Weise die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg mit aktuellen Konflikten in der Welt vermengte. Es ist bezeichnend, dass die Oberbürgermeisterin für dieses Jahr zunächst ein methodisch ähnliches Spektakel auf dem Neumarkt geplant hatte: Wenn technische Schwierigkeiten dies auch verhindert haben, wird hier doch ein neuer Tiefpunkt ohnehin kritikwürdiger „offizieller Gedenkkultur“ in Chemnitz deutlich. Deren absoluter Nullpunkt ist dann erreicht, wenn gerade der Pressesprecher des CFC, dessen Fanszene bekennende und mitmarschierende Nazis toleriert und beherbergt, sich im offiziellen Mobilisierungsvideoclip des „Friedenstages“ gegen „jeden Extremismus“ ausspricht und damit Antifaschist_innen mit dumm-dumpfen Fackelträger_innen gleichzusetzen versucht.
Doch nicht nur das stadtoffizielle Gedenkspektakel auf dem Neumarkt ist einem entschlossenen antifaschistischen Intervenieren abträglich, das mehr sein will als bloßes, auf den „Standort Chemnitz“ bedachtes Lippenbekenntnis. Dass „Chemnitz nicht Dresden ist“, macht auch das Verhalten von „Chemnitz Nazifrei“ deutlich. Seinen an das Dresdner Bündnis angelehnten Namen hat es sich bisher nicht verdient. Im Gegensatz zum Vorbild ruft das Chemnitzer Bündnis nämlich nicht ausdrücklich zu Blockaden auf. Zwar wird sich mit diesen solidarisiert, als eigenes Aktionsziel jedoch nur „Protest in Hör- und Sichtweite“ angestrebt. Das ist uns zu wenig. Die „kritische Masse“, die die Dresdner Naziaufmärsche zum Desaster hat werden lassen, kann in Chemnitz nur erreicht werden, wenn ein breites Bündnis antifaschistischer Akteur_innen eindeutig zu solchen Blockaden aufruft und seine Aktivitäten dementsprechend plant und koordiniert. Sich mit Blockaden abstrakt zu „solidarisieren“, anstatt sie konkret umzusetzen, wird den geistigen Brüdern und Schwestern von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nur ein weiteres, fatales Erfolgserlebnis verschaffen. Für uns steht jedoch fest: Jeder weitere nicht verhinderte Naziaufmarsch in Chemnitz, dem Rückzugsort des NSU und seines Umfelds, ist einer zu viel.
Wir fordern daher die Chemnitzer Bürger_innen dazu auf, es am 05.03.2013 nicht nur bei Gesten und absichtsvollen, letztlich aber folgenlosen Phrasen zu belassen, sondern sich den Nazis aktiv und entschlossen entgegenzustellen. Das verlangt einerseits die stadtoffizielle „Gedenkshow“ links liegen zu lassen, andererseits das Bündnis „Chemnitz Nazifrei“ in seiner Solidarität mit Blockaden wörtlich zu nehmen und diese von ihm einzufordern. Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Engagement gegen Nazismus, Rassismus und andere menschenverachtende Einstellungen nichts ist, was auf den 05.03. zu beschränken wäre: Gerade in Chemnitz mit seiner unrühmlichen Rolle bezüglich des NSU und seinen vielfältigen und gefestigten Nazistrukturen muss Antifaschismus an 365 Tagen im Jahr gelebt werden! Kommt nach vorne!