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Weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl

Was bedeutet eigentlich „sicherer Herkunftsstaat“? Der „sichere Herkunftsstaat“ oder auch „sicherer Drittstaat“ ist ein Kernbegriff des deutschen Asylrechts, der durch den Asylkompromiss von 1993 entstand. Im Kern besagt die Regelung von sogenannten sicheren Staaten: wer durch oder aus ihnen nach Deutschland einreist, hat keinen Anspruch auf Asyl. Nun umfasst diese Liste neben den afrikanischen Staaten Ghana und Senegal sämtliche Staaten der Europäischen Union. An dieser Stelle möge nun jede Leserin und jeder Leser sich kurz die geographische Lage Deutschlands in Europa vergegenwärtigen – und die Absurdität dieser Regelung tritt zutage. Nun steht der Begriff des sicheren Herkunftsstaates derzeit im Zentrum eines Gesetzesentwurfes, der aktuell von der Regierungskoalition aus CDU/ CSU und SPD durch den Bundestag gebracht wurde, aber im Bundesrat auf Widerstand stieß. Die Staaten Serbien, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina sollen per Gesetz ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaat erklärt werden, womit von vornherein jeder Antrag auf Asyl aus diesen Staaten unterbunden werden soll. Dieses Gesetzesvorhaben ist schlicht beschämend. Denn in diesen drei Staaten, ist die soziale Ausgrenzung und staatliche Repression gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten weit verbreitet. Es wird gerade die Minderheit der Roma und Sinti treffen, die aufgrund der dortigen Gesetzgebung zu einem Leben am Rande der Gesellschaft genötigt werden. Die Forderung vieler Organisationen, die sich für die Rechte geflüchteter Menschen einsetzen, jeden Antrag auf Asyl ausnahmslos als Einzelfall genau zu prüfen, wird in den Wind geschlagen. Massenabfertigung ohne weitere Untersuchung wird die Folge sein – „Antrag offensichtlich unbegründet“ heißt die juristische Begründung. Überdies liegen zwei weitere Gesetzesentwürfe parat, die nach der Sommerpause des Bundestages die weitere Verschärfung des Asylrechts vorantreiben sollen. Der eine Entwurf befasst sich mit der Neuregelung des Aufenthaltsrechts – zu Ungunsten geflüchteter Menschen. So soll etwa jeder Grenzübertritt ohne Papiere oder Visa zukünftig als Grund für eine Inhaftnahme gelten. Noch einmal bitte ich darum, sich folgendes zu vergegenwärtigen: welcher Mensch hat auf der Flucht denn solche Papiere bei sich? Insgesamt wird es nach dem Vorschlag des Bundesinnenministerium, welches den Gesetzesentwurf erstellte, sieben Gründe für Inhaftnahme geben – was nichts anderes ist, als die Kriminalisierung geflüchteter Menschen. Der andere soll die Leistungen „reformieren“, die denjenigen zustehen, welche sich in Deutschland im Asylverfahren befinden. Auch hier lassen sich im Entwurf nur marginale Verbesserungen gegenüber substanziellen Unterlassungen und Verschlechterungen finden. Einer der wichtigsten Punkte, die medizinische Versorgung von Asylsuchenden, bleibt ausgespart. Was das in der Praxis heißt? Medizinischer Bedarf besteht nur dann, wenn eine Erkrankung akut wird, nicht, um sie abzuwenden. Und auch dann muss vorher beim zuständigen Sozialamt ein Krankenschein erstellt werden. Also entscheidet bislang Nicht-medizinisches Personal über Dringlichkeit medizinischer Leistungen. Woran sich nach Willen der Bundesregierung auch in Zukunft nichts ändern soll. Letztlich folgt all dies aber einer inneren Logik: unerwünschte Asylsuchende abschrecken oder zur alsbaldigen „freiwilligen Ausreise“ bewegen. Unerwünscht ist, wer nichts leistet, wer nicht nützlich ist. Es ist kein Zufall, dass flüchtende Menschen aus den Westbalkanstaaten als „Armutsflüchtlinge“ oder „Wirtschaftsflüchtlinge“ betitelt werden und, wie oben ausgeführt, von vornherein ausgeschlossen werden sollen. Andere „Flüchtlinge, die es bis nach Deutschland geschafft haben, sind hochmobil, flexibel, mehrsprachig, leistungs- und risikobereit.“ Oder „Auch daran sollten wir denken in einer Gesellschaft, in der viel über den demografischen Wandel, Bevölkerungsrückgang und drohenden Fachkräftemangel diskutiert wird.“ So meinte es zumindest Bundespräsident Joachim Gauck am 30.06.2014 – ausgerechnet auf einem internationalen Symposium zum Thema Flüchtlingsschutz. Der Schutz von Menschen sollte aber unter keinen Umständen einem Denken von Nutzen und Verwertung unterliegen, das gebietet der Anstand und die eigene Würde. Es kann und darf allein der einzelne Mensch der Maßstab sein. Nur findet dies seit fast über 20 Jahren keinen Widerhall in der Gesetzgebung. Asylrecht in Deutschland – das ist Zynismus.