Mehr Demokratie, mehr Teilhabe und mehr Entscheidungsbefugnisse dort, wo die Entscheidungen anstehen und durch diejenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind. Darum geht‘s. Und darum, Quoren zu senken, die Fünf-Prozent-Hürde als undemokratisches Element unseres Wahlrechtes abzuschaffen und Schulen und Betriebe zu demokratisieren. So weit, so unspektakulär – könnte man meinen. Es kommen jedoch noch zwei wesentliche Forderungen dazu. Die erste Forderung ist diejenige, dass sich das Wahlrecht an den hier Lebenden ausrichten sollte. Die aktuelle Situation ist ja folgende: Es gibt zahlreiche Menschen die hier leben, also auch HIER von Entscheidungen betroffen sind – aber hier nicht wählen dürfen, weil sie keine Staatsbürger sind. Wir jedenfalls wollen, dass Menschen – natürlich nicht direkt nach dem ersten Tag, aber grundsätzlich – dort mitentscheiden können, wo sie ihren Lebensschwerpunkt haben. Wo der Lebensschwerpunkt liegt, das wissen übrigens die Menschen selbst meistens besser als das Staatsbürgerschaftsrecht. Zweitens: Ich finde, wie viele andere, aber nicht nur, dass man das Wahlalter einfach ein bisschen absenken sollte, also z.B. auf 16 oder 14, sondern kritisiere die bestehende Altersgrenze grundsätzlich. Zunächst kann ich festhalten: Jede Grenze bei Wahlen ist willkürlich und nicht irgendwo logisch herleitbar. Warum die Altersgrenze bei 18 und nicht bei 17 liegt, warum die Fünf-Prozent-Hürde keine Sechs-Prozent-Hürde ist hat seinen Grund in einer irgendwie getroffenen Entscheidung – aber eben keinen „tieferen“ Hintergrund. Wie bereits gesagt, bin ich der Auffassung, dass die von einer Entscheidung Betroffenen auch an dieser beteiligt werden sollten. Dafür darf es weder eine Gesinnungsprüfung noch irgendeinen anderen Test geben. Wie groß wäre denn der Aufschrei, müsste man vor der Wahl einen Test bestehen oder seinen IQ überprüfen lassen? Er wäre riesig und das mit Recht. Es gibt aber keinen Aufschrei, obwohl Kinder- und Jugendliche größtenteils vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Das immer wieder vorgetragene Argument lautet: „die sind noch nicht reif genug“. Aber was soll denn das heißen, „reif genug sein“? Gewissermaßen ist das sogar die Perversion des eben angesprochenen „Tauglichkeitstests“. Schlimm genug wäre es ja, wenn es diesen gäbe. Aber so, wie es derzeit geregelt ist, wird – ganz ohne Test – einfach einem erheblichen Teil der Bevölkerung der Stempel „Für das Wählen zu dumm“ aufgedrückt. Das finde ich falsch, das ist das eine. Besonders stringent ist es übrigens auch nicht. Würde man diese Praxis nämlich durchgehend anwenden, hieße das nicht nur, dass Kinder nicht wählen dürfen, sondern dass besonders alte Menschen ihr Wahlrecht wieder verlieren müssten. Nicht falsch verstehen, das ist keineswegs das, was ich fordere. Ich möchte an dieser Stelle nur zeigen, dass in dieser Logik – die nicht die meinige ist – eine Altersuntergrenze eben auch ergänzt sein müsste durch eine Altersobergrenze. Das einzuführen wird sich natürlich ganz praktisch niemand trauen, denn da gibt es genug Menschen die sich mit ihrem größtem Recht – aber eben auch Kraft ihres Wahlrechts – wehren könnten. Kinder, die noch kein Wahlrecht haben, können das nicht. So ist es übrigens auch ein Leichtes für die meisten Politikerinnen und Politiker, über die Interessen der unter 18-Jährigen hinwegzusehen. Was ich außerdem immer wieder höre, wenn ich das thematisiere, was ich „Wahlalter Null“ nenne, ist die Frage, wie ich mir das vorstelle. Da sagen dann einige „Ja und wie ist das denn, sollen dann Babies zur Wahlurne kriechen?“. Nein, das weiß ich selbst, das wird schlichtweg nicht passieren. Es wäre nicht wesentlich anders als jetzt: Wer sich in der Lage fühlt, wählen zu gehen, tut das – unabhängig von vermeintlicher „Eignung“ oder „Nicht-Eignung“. Um es zusammenfassend zu sagen: Die Geschichte der Entwicklung des Wahlrechts war eine Geschichte der Egalisierung. Erst durften reiche, weiße Männer wählen, dann kamen arme, weiße Männer hinzu und schließlich auch nicht-weiße Männer und zuguterletzt Frauen. Wer jetzt noch fehlt, das sind die Jüngsten. Ich möchte mich gerne für den nächsten und vielleicht letzten Schritt hin zu einem egalitären und freien Wahlrecht einsetzen – auch wenn ich dafür anfangs nicht viel mehr als Unverständnis ernte. Aber das war ja, wie wir alle wissen, bei vielen guten Ideen der Fall.
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