Redebeitrag zur Demo gegen das Asylpaket II am 25. Februar
Heute wurde also das Asylpaket II mit großer Mehrheit der Regierungskoalition von CDU/ CSU und SPD verabschiedet. Das Grundrecht auf Asyl, dessen faktische Auflösung mit dem sogenannten Asylkompromiss von CDU/CSU und SPD im Jahr 1993 begann, wird mit der nun vierten Asylrechtsverschärfung innerhalb von nicht einmal 18 Monaten bis zur Unkenntlichkeit defomiert. Mit der gebetsmühlenartig vorgebrachten Motivation, die „Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten“, ist kein Staat zu machen. Denn eines zeichnet Grundrechte wie eben das Grundrecht auf Asyl aus – es hängt nicht von einer ominösen Zustimmung ab, es ist kein wohltätig gewährtes Gnadenrecht, es ist ein Recht dass der Mensch hat, weil er Mensch ist. Grundrechte können ihrer Definition nach auch nicht missbraucht werden, wie es vielerorten und vielstimmig zu hören ist. Wie sollte das auch gehen, etwas zu missbrauchen auf das man als Mensch grundlegenden Anspruch hat? Wo kämen wir denn hin, wenn jedes Grundrecht aus billigem, politischen Opportunismus zur Verhandlung stünde – und wo sind wir längst angelangt? Denn mehr als Opportunismus und blinder Aktionismus steckt doch nicht hinter dem Maßnahmenkatalog des Asylpakets II. Wie auch bei den vorigen Aylrechtsverschärfungen, führt vielmehr der konzeptlose Krisenmodus des Staates die Feder: Abschreckung um jeden Preis, auf dem Rücken von Schutzsuchenden, die in widerwärtiger Manier noch gegeneinander ausgespielt werden – hier die guten Kriegsflüchtlinge, dort die schlechten, weil schlecht ausgebildeten Wirtschaftsflüchtlinge. Früher noch offenherzig als Asylant bekundet, versteckt sich das Ressentiment, „die seien doch gar nicht wirklich verfolgt“ (den Halbsatz in Anführungszeichen bitte im derbsten sächsisch sprechen) im technischen Begriff der geringen Bleibeperspektive. Was muss in einem Kopf vorgehen, dass sich die Wahnidee verfestigt, Menschen würden alles hinter sich lassen und die Strapazen der Flucht auf sich nehmen, nur für die Handvoll Sozialleistungen? Wie es nun geplant ist,Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern in gesonderte Aufnahmezentren zu pferchen, im Schnellverfahren einen eh schon vorbestimmten Ausgang des Asylantrages zu diktieren, spricht jedenfalls dem Grundsatz einer fairen, tiergehenden Einzelfallprüfung Hohn. Und mehr Beweis für die politische Billigkeit braucht es nicht, als die sich ständig ändernde Liste der sicheren Herkunftsländer selbst. Zwar aus dem Asylpaket II selbst ausgeklammert, weil es dafür keine entsprechende Mehrheit im Bundesrat gibt, sollen dennoch nach dem Willen der Bundesregierung auch Marokko, Tunesien und Algerien auf diese Liste. Um es kurz zu machen: nein, diese Länder sind nicht sicher, nur weil der Urlaub da so schön war. Diese Staaten werden, denen Nachwehen der Arabellion geschuldet, in weiten Teilen von bewaffneten Milizen beherrscht. Faustrecht statt All-Inclusive ist die bittere Realität der Menschen, die von dort fliehen. Ferner den Familiennachzug einzuschränken, der übrigens erst im letzten Sommer gelockert wurde, reißt Familien auseinander. Statt sicher einzureisen, bleiben auch weiterhin nur die illegalisierten, gefährlichen Routen über das Mittelmeer. Rumzutönen, man wolle Schlepper bekämpfen, aber legale Fluchtwege verschließen – das ist lebensgefährdender Unsinn. Dann aber doch einmal in Deutschland angelangt, sollen die Wege in die Gesellschaft und die Teilhabe an der selbigen nur noch denen zukommen, die eine unterstellte „gute Bleibeperspektive“ haben. Woran wird die „gute Perspektive“ festgemacht? An schwankenden Anerkennungsquoten, die auch noch von Bundesland zu Bundesland variieren. Nun, Stochastik und Grundrechte vertragen sich nicht. Sollen die so abgewiesenen Schutzsuchenden dann wieder das Land verlassen, hilft der Staat gerne nach. Gesundheitliche Probleme mit der Aussicht auf chronische und gar lebensbedrohliche Verschlechterung sollen nicht länger ein Grund sein, die Abschiebung auszusetzen. Hierbei will man sich willfähriger Mediziner_innen bedienen, die entsprechend akkreditiert die notwendigen Atteste ausstellen. Wenn schon das Grundrecht auf Asyl geschliffen wird, warum nicht gleich auch noch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und medizinische Versorgung? Im Krisenmodus der Konzeptlosigkeit wird vieles verhandelbar, inklusive des hippokratischen Eides. So ist das Asylpaket ein aktionistischer Blindflug, der sich den Realitäten verschließt. Denn es findet sich kein Wort darüber, dass die meisten Menschen, die nach Deutschland flüchten, über viele Jahre bleiben werden – mit oder ohne Aufenthaltstitel. Kein Wort darüber, wie ihnen Selbstbestimmung über ihr Leben und die aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden soll. Kein Wort darüber, wie Grundrechte verwirklicht werden sollen. Im Rechtsverständnis der bürgerlichen Gesellschaft ist eben jedes Recht nur auf Zeit erworben un schon im Wartestand der Aussetzung – und das betrifft alle Menschen, jene ohne Papiere aber am härtesten.