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Freud und Leid des Großstadtlebens – Wie der notorische Provinzialismus von Polizei und Verwaltung im Stadthallenpark scheitert

Mit der Chemnitzer Polizei hat man in dieser Stadt ja immer seinen Spaß. Da wären die unzähligen PEGIDA­Demos samt Gegenaktionen, die einem einen kleinen Eindruck davon geben, was die Polizei in Chemnitz so von Linken und deren Protest hält. Da wäre der Polizeipräsident Uwe Reißmann, der die Fehler „seiner“ Polizei auch dann noch verteidigt, wenn sie offensichtlich sind und auch ein Fax zum NSU „übersehen“ hat.

In der Causa Stadthallenpark haben diese Koryphäen kompetenter Ermittlungsarbeit jedoch offenbar ihre Bestimmung gefunden. Die Liebesgeschichte „Staat & Stadthallenpark“ begann im Jahr 2014, als Miko Runkel, seines Zeichens Bürgermeister für Ordnung, Recht, Sicherheit und coole Kinnbärte, sich zu der Entscheidung verstieg, über die Innenstadt ein Alkoholvebrot zu verhängen. Nun ist die Frage, wem die Stadt und im Speziellen die Innenstadt gehört, keine besonders neue; diese Diskurse werden seit langem und bei weitem nicht nur in Chemnitz geführt.

Der Bürgermeister samt Konsorten hat für unsere Stadt eine Antwort gefunden. Mit dem Beschluss treibt er Klassenkampf von oben, denn natürlich bedeutet die Maßnahme nichts anderes als Verdrängung Marginalisierter. Uwe Reißmann, ebenfalls cooler Bartträger, ging diese Maßnahme nicht weit genug. Es zeigte sich, dass die Trinker_innen ihre Stammplätze nicht aufgeben würden, schließlich war ja nicht der Grund ihrer Sauferei abgeschafft, sondern ihnen nur ihre Strategie, mit der Welt fertig zu werden, verboten worden. Zusätzlich wurde nun auch der Park an der Stadthalle von vielfach jungen Menschen als Treffpunkt zum Abhängen, Rumlungern und Drogen dealen genutzt. Das allein ist für eine große Stadt wie Chemnitz keine besonders auffällige Entwicklung und in vielen anderen Städten gibt es Angebote und Möglichkeiten, um mit der Perspektivlosigkeit solcher Leute fertig zu werden.

Doch was tat die Polizeiführung? Sie tat so, als sei der Stadthallenpark schon längst zu einem Görlitzer Park, Frankfurter Bahnhofsviertel oder ähnlich schlimmen Pflaster verkommen und hatte auf derart furchtbare Zustände dann auch die einzige Antwort, die eine polizeiliche Behörde dazu kennt: die harte Hand von Recht und Gesetz. Der gemeine Deutsche, der sich im versteckten Neid auf Arbeitslose und Faulenzer schon immer die Behandlung durch Knüppel und Reizgas wünscht, war von dieser Entscheidung natürlich hellauf begeistert. Das bevorzugte Mittel der Wahl im Sommer 2016 waren Großrazzien und Dauerpräsenz in der Innenstadt. Wer es nicht selbst erlebt hat, möge sich einmal vorstellen, wie angenehm die Präsenz von Dutzenden hochgepanzerten Polizisten mitten in der Innenstadt sein muss. Eine Großrazzia sah etwa folgendermaßen aus: eine Mannschaft von 200 Beamten umstellte mit ihren Wannen den Park und stürmten denselben dann. Mitten am helllichten Tag. Also wenn das nicht zur Verbesserung des öffentlichen Sicherheitsgefühls beiträgt, dann weiß ich auch nicht.

Die Ausbeute war beschissen. Ich zitiere aus einer Anfrage im Landtag:
26.05.2016: 3x BtMG, 3 Konsumeinheiten (KE) THC, 1x Diebstahl
19.07.: 5x BtMG, 5 KE THC, 1x Waffenbesitz
04.08.: 6x BtMG, 5 KE THC, 1 KE Methamphetamin
Ich fasse zusammen: 14 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, wobei etwa 5g Cannabis und ein wenig Crystal gefunden wurde, außerdem 1 Diebstahl und 1 Waffenbesitz. Und dafür brachten insgesamt 600 Beamte jeweils mindestens 3 Stunden auf. Das sind etwa 0,009 angezeigte Delikte pro Arbeitsstunde, für eine Behörde, deren Aufgabe in der Anzeige ebendieser liegt, eine sehr schlechte Quote, die in jedem anderen Job sofort zur Entlassung geführt hätte. Entweder sind die Dealer also zu klug für die Polizei oder die Strategie war grundfalsch.

Natürlich besserte sich die Lage im diesjährigen Sommer nicht und man schaltete einen Gang hoch: der Stadthallenpark wurde kurzerhand zum Gefahrengebiet erklärt. Bedeutet im Klartext: alle können ohne jeglichen Verdacht kontrolliert werden. Weil das natürlich eine sehr große Unsicherheit, zumindest dem Gefühl nach, bedeutet und hart nach Willkür klingt – weil wer möchte schon ohne jeglichen Grund beim Shopping oder genüsslichen Essen beim Lieblingsitaliener bis auf die Unterhose gefilzt werden – aufgrund dieser Willkür also beeilte sich die Polizeisprecherin Jana Kindt zu sagen, dass „normale Bürger und Familien“ natürlich nichts zu befürchten hätten. Die Frage bleibt offen, was denn dann unnormale Menschen seien. Wer sich im ohnehin rassistischen sächsischen Politik und Verwaltungsbetrieb unangenehm an verbotenes racial profiling erinnert – naja, will wollen ja der allerheiligsten Chemnitzer Polizei nichts unterstellen…

Ein Blick auf die nackten Zahlen lässt erkennen, dass, oh Wunder, auch diese Maßnahme sehr bescheidenen Erfolg aufweist. Bei der letzten Razzia kamen auf 90 Polizist_innen gerade neun Festnahmen – die Quote ist etwas besser, aber immer noch beschissen.
Richtig sauer stößt einem die ganze Chose auf, wenn man die Klagen der Chemnitzer Polizei über Überarbeitung hört. Man ist fast geneigt, ihnen zuzurufen – kein Wunder!

Natürlich fällt die Entscheidung für die Gefahrenzone, also eine der verschärftesten Polizeientscheidung, in eine passende Zeit; bundes­ und sachsenweit wir der Ruf nach mehr und härteren Polizeitaktiken und ­Einsätzen laut. Dennoch gilt es als Linke mit Nachdruck zu sagen, dass es nicht geht, dass eine Polizei derart in eine politische Debatte eingreift, und die Frage, wem die Stadt gehört, ist eine solche; schon gar nicht, wenn die Polizei dank solcher Einsätze ihre eigene Unterbesetztheit erst mit produziert.
Viel wichtiger ist jedoch: wer mit den Menschen im Park auskommen will, der wird nicht umhin kommen, sich zu fragen, aus welchen Gründen die Sauferei, die Rumlungerei und das Dealen geschehen und der wird, um sich nicht selbst zu belügen, eben nicht umhin kommen, die derzeitige Gesellschaftsform als unmittelbar verbunden mit den Zuständen im Park zu betrachten.

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„Krieg gegen die Drogen“ versus Prävention und Aufklärung

Der folgende Text entstand für die aktuelle Ausgabe des Klaren Blicks. In Zukunft werden wir dieses Medium regelmäßig nutzen, um unsere Positionen zu verschiedenen Themen in die Chemnitzer Parteibasis zu tragen.

Die Prohibition ist gescheitert. Der „Krieg gegen die Drogen“ trat an mit dem vermeintlichen Ziel, die Menschen vor den Auswirkungen der illegalisierten Drogen zu schützen. Das Gegenteil ist eingetreten. Für den immensen Großteil aller Drogenkonsument_innen sind die Auswirkungen der Verbotspraxis – Streckmittel, Strafverfolgung, unklarer Wirkstoffgehalt – viel schädlicher als die eigentliche Droge. Nicht zu vergessen die Milliarden an Euro, die jedes Jahr über den unregulierten Schwarzmarkt in Mafiastrukturen fließen. Eine puritanische Gesellschaft ist ebenalls nicht wünschenswert. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über den eigenen Körper steht über jedem Recht, das ein Staat sprechen kann.

Die Befürchtungen, dass nach einer Liberalisierung „Chaos“ entstünde, sind unbegründet. In Portugal, wo seit 2001 lle Drogen entkriminalisiert sind, ist die Zahl der Drogentoten und Süchtigen aufgrund einer klugen Präventions- und Aufklärungspolitik sogar signifi kant zurückgegangen. In den Niederlanden, in denen alle Erwachsenen ohne Probleme Hanf als Genussmittel konsumieren können, gibt es prozentual weniger Kiffer_innen als in Deutschland.

Es ist also angezeigt, Repression abzubauen und sie durch Aufklärung und Prävention zu ersetzen. Das Unrecht, was momentan Konsument_innen illegalisierter Substanzen in Form von Strafverfolgung angetan wird, ist abzuschaffen. Wie schon 2012 im Rahmen der Cannabiskultour, wird die Linksjugend Chemnitz auch
dieses Jahr wieder Veranstaltungen zum Thema Drogenpolitik organisieren.

Dazu sind alle Interessierten, besonders die (noch) skeptischen, herzlich eingeladen!

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Cannabiskultour in Chemnitz