Kategorien
Allgemein

Redebeitrag zum Internationalen Tag gegen Rassismus am 17.03.2018

Als ich in der Grundschule war habe ich die Ausbildung zum Konfliktlotsen oder auch Streitschlichter gemacht. Das sind Schüler*innen, die ihren Mitschüler*innen bei Problemen und Streit helfen. In der Projektwoche, in der ich zusammen mit 

anderen Schüler*innen ausgebildet wurde, haben wir vieles gelernt, aber eines ist ganz besonders hängen geblieben: Wenn du mitbekommst, dass jemand beleidigt, diskriminiert oder sonst wie zu Unrecht schlecht behandelt wird, dann mach den Mund auf! Zeig den Opfern, dass sie nicht alleine sind! Nicht selten habe ich zu dieser Zeit eine Freundin von mir getröstet, die immer wieder von anderen Kindern wegen ihrer kolumbianischen Herkunft geärgert wurde. Damals in der Grundschule hat sich das noch in Grenzen gehalten, aber je älter ich wurde, desto krasser wurden auch die Beleidigungen und die Ausgrenzungen, die man doch irgendwo jeden Tag mitbekam. Die Angst, die früher vom Schulhofrüpel kam, wird heute auf der Straße geschürt. Pegida und AfD sind nur die Spitze des Eisbergs, der Hass sitzt in den Köpfen von so vielen unserer Mitbürger*innen.

„In der  Demokratie hat jeder das Recht zu demonstrieren.“ So rechtfertigen Nazis  immer wieder ihre fremdenfeindlichen Aufmärsche. Doch Nazis nutzen die Demokratie um die Demokratie zu  bekämpfen. Von friedlichen Meinungsbekundungen kann hier keine Rede  sein. Sie sehen sich als die  politischen Erben des NS-Staates, die Nachfolger eines Staates, der  keine Meinungsfreiheit zuließ. Der Menschen, die nicht ins eigene  Weltbild passten, Bürger- und Menschenrechte absprach. Ein Staat, der  verfolgte und tötete. Die Liste der  Feinde der Rechten ist schier endlos: Frauen,  Geflüchtete, Muslime,  Juden, Homosexuelle… Was sie dank fehlendem  Empathievermögen bis heute  immer noch nicht begriffen haben: Ohne  Vielfalt kommt es zu einem  Stillstand. Die ach so wertvolle deutsche  Kultur wäre nicht komplett  ohne den Austausch mit anderen Ländern,  Kulturen, Menschen. Es hat  schon etwas leicht ironisches, wenn Heinz nach lautstarkem Demonstrieren gegen Geflüchtete erstmal ein Bier kippt. Ein Getränk, dass im Gebiet des heutigen Irak erfunden wurde. Die heutige Demonstration steht unter dem Motto „Aufstehen gegen Rassismus“. Aufstehen, das bedeutet sich in den Weg zu stellen, zu protestieren. Heute ist das wichtiger denn je. Nicht nur um zu zeigen, dass Deutschland nicht so wie der Mob  aussieht, der immer wieder laut rassistische und fremdenfeindliche Parolen von sich lässt,  sondern auch um Menschen zu schützen, die sonst weiter unterdrückt  werden. Aber nicht nur Demonstrationen und große Aktionen sind damit gemeint. Wir müssen auch im Alltag aufstehen, uns den Rassist*innen jeden Tag in den Weg stellen und klar machen, dass sie mit ihrer Meinung nicht erwünscht sind.

Eine kleine Anekdote: Es ist Februar, ich sitze im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Die Sonne scheint, ein wenig hat man bereits das Gefühl von Frühling. Alle anderen, die mit mir im Bus sitzen, scheinen genauso gut gelaunt wie ich. Nach ein paar Minuten Fahrt kann ich einen Sitzplatz im hinteren Teil des Busses ergattern. Mir gegenüber sitzen zwei Frauen, Deutsche, Anfang-Mitte 50. Zuerst beachte ich sie nicht sonderlich, irgendwann horche ich auf. „Erschießen sollte man die, direkt an der Grenze, bevor sie hier schmarotzen können.“ – „Und was das alles kostet! Wir müssen zahlen und denen wird alles in den Arsch geschoben.“ Die beiden reden sich richtig in Rage, werden immer lauter. Neues höre ich nicht, es sind die üblichen leeren Phrasen: Es kommen ja nur junge Männer, die machen nichts, die nehmen uns die Arbeitsplätze weg und überhaupt, wie die rumlaufen! Klar, diese Sprüche machen mich wütend, aber was mich wirklich stört ist der Umstand, 
dass direkt neben ihnen zwei Frauen mit Kopftuch sitzen, die sich zu Beginn der Fahrt noch angeregt unterhalten haben und im Verlauf des Gesprächs dieser beiden Damen immer ruhiger werden, irgendwann sagen sie nichts mehr. Der Bus ist voll, kaum einer hat diese Hasstirade nicht mitbekommen. Die Stimmung ist irgendwie unangenehm. Und trotzdem sagt niemand etwas, die Frauen mit Kopftuch sinken immer weiter in ihre Sitze und können es sichtlich kaum erwarten an ihrer Zielhaltestelle anzukommen. Natürlich habe ich den Mund aufgemacht, diskutiert. Hinterher habe ich noch eine ganze Weile vor Aufregung gezittert, aber die dankbaren Blicke der zwei betroffenen Frauen und von manch anderem Fahrgast waren es allemal wert. Ein anderes Mal stand ich in der Mittagspause am Asia-Imbiss, wollte nur eben schnell Nudeln holen bevor ich wieder zur Baustelle zurück musste. Während ich also auf mein Essen warte und mich nebenher 

mit dem vietnamesischem Inhaber ein wenig unterhalte bekomme ich mit wie zwei Männer neben mir sich lautstark über Geflüchtete und Ausländer aufregen. Ich fange an mit ihnen zu diskutieren, irgendwann dampfen die zwei ab. Der Imbissinhaber bedankt sich schnell mit einem breiten Lächeln. Worum es hier geht ist Solidarität. Solidarität mit jedem Menschen, der ausgegrenzt wird, weil er zufällig in einem anderem Land geboren wurde oder seine Gene ihm eine andere Hautfarbe verpasst haben. Ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass sie nicht nachgeben müssen. Auch das bedeutet es gegen Rassismus aufzustehen.

Während dem Schreiben dieses Redebeitrags habe ich wirklich lange überlegt, ob es auch nur ein geschichtliches Beispiel gibt, in dem Rassismus und Diskriminierung jemals weitergeholfen hat. Gefunden habe ich keines. Trauer, Angst und Tod bringen uns nicht weiter. Brennende Flüchtlingsheime, Gewalt und Bedrohungen führen uns nicht in eine leuchtende Zukunft, in der wir alle ein kleines bisschen glücklicher und zufriedener sind als jetzt. Leid führt immer zu noch mehr Leid und wer anderes behauptet sollte noch einmal gründlich die Geschichtsbücher wälzen und danach den Mund zumachen.
Kundgebung am 17.03.18 zum Internationalen Tag gegen Rassismus
Kategorien
Geschichte

Internationaler Tag gegen Rassismus

Ein Blick zurück: am Vormittag des 21.3.1960 demonstrierten im südafrikanischen Sharpeville tausende Menschen gegen das Apartheid-Regime und dessen diskriminierende Gesetzgebung, nach denen das gesamte Land in „schwarze“ und „weiße“ Bereiche getrennt wurde. Von Anfang an von Sicherheitskräften bedrängt, eskalierte die Situation gegen Mittag, die Polizei schoss in die Menge. 69 Menschen fanden den Tod, hunderte wurden verletzt. In Erinnerung an diese Tragödie, aber auch den Mut der vielen Menschen, sich gegen Unterdrückung und staatliche Diskriminierung zu wehren, riefen die Vereinten Nationen den 21.3. zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ aus. Der Blick in die Gegenwart: Auch über 50 Jahre später sind rassistische Einstellungen noch immer präsent, so sehr, dass sich wiederum die Vereinten Nationen entschlossen, Deutschland öffentlich für den Umgang mit als fremd wahr genommenen Menschen zu rügen. Dieser Bericht spiegelt auch vieles wieder, was in den letzten Monaten und Jahren vermehrt in die Öffentlichkeit drängte: ein „das wird man ja noch sagen dürfen“, eine Selbstdarstellung als mutige Tabubrecher, die sich zu sagen getrauen, was eine schweigende Mehrheit nur denkt. Es sollte nicht verwundern, das die Vereinten Nationen in der Rüge namentlich Thilo Sarrazin erwähnten. Mir fielen noch weitaus mehr ein. Aber was ist nun eigentlich Rassismus? Im Grunde die Annahme, Menschen aufgrund ihrer zugesprochenen Hautfarbe, Herkunft und/oder Religion bestimmte Eigenschaften zuzusprechen. Diese sollen dabei auch immer so gelten und unumstößlich sein. Letztlich: der einzelne Mensch wird ausgeblendet, es gilt allein, was mensch über ihn zu wissen glaubt! Es geht darum, ein „Wir“ und ein „Die“ zu konstruieren, Menschen auszuschließen, über gesellschaftliche Normen und Gesetze. Sie nicht teilhaben zu lassen, „denn irgendwie passen die nicht hierher, sie seien kulturell nicht kompatibel“ – die Worte in Anführungszeichen habe ich einem Kommentar auf der Internetseite der Wochenzeitung „Die Zeit“ entnommen. Rassistische Einstellungen, rassistisches Wissen zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, in allen Milieus, wird mal so, mal so begründet – nur um allein die „Wir“-Gruppe aufzuwerten, eigene Privilegien zu schützen, Deutungsmacht zu sichern. Das alles ist aber einer emanzipatorischen, einer solidarischen Gesellschaft unwürdig! Eine freie Welt ist nur dann möglich, wenn alle, wirklich alle, frei sein können – frei von Vorurteilen und frei von Diskriminierung.

Kategorien
Artikel

Rassismus geht uns alle an

Ein Blick zurück: am Vormittag des 21. März 1960 demonstrierten im südafrikanischen Sharpeville tausende Menschen gegen das Apartheid-Regime und dessen diskriminierende Gesetzgebung, nach denen das gesamte Land in „schwarze“ und „weiße“ Bereiche getrennt wurde. Von Anfang an von Sicherheitskräften bedrängt eskalierte die Situation gegen Mittag, die Polizei schoss in die Menge. 69 Menschen fanden den Tod, hunderte wurden verletzt. In Erinnerung an diese Tragödie, aber auch den Mut der vielen Menschen, sich gegen Unterdrückung und staatliche Diskriminierung zu wehren, riefen die Vereinten Nationen den 21. März zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ aus.