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Feministische Kämpfe vereinen! Kampf dem Patriarchat!

Anlässlich des 8. März haben wir ein Video produziert, um nur ein paar Beispiele zu nennen, warum es noch wichtig ist, Feministin zu sein… Kampf den immer noch patriarchalen Verhältnissen!

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Alle sprechen vom Lehrkräftemangel – aber da ist noch mehr

Das neue Schuljahr begann katastrophal: Lehrer*innen und Referendare sind Mangelware in Sachsen. Der Landesregierung war bekannt, wie viele Schüler*innen in den Klassen sitzen und wie viele Lehrkräfte nötig sind, um die in Rente gehenden (oder bereits gegangenen) zu kompensieren. Dabei geht es um nichts anderes als um die Grundlage, lehren und lernen zu können. Die Meldungen in den Zeitungen, im Fernsehen und nicht zuletzt in sozialen Netzwerken überschlagen sich. Im bundesweiten Vergleich von Gehalt, Stundenzahlen und Klassenteilern ist es kein Wunder, dass es viele gut ausgebildete Lehrer*innen nicht in Sachsen hält. Lehrer*innen beklagen Überlastungen. Dabei geht es in erster Linie gar nicht ums Geld: Der Mehraufwand, der verlangt wird, geht auf die Kraftreserven und auf die Nerven und erzeugt so Stress und letztlich macht er die Leute krank. In Regelschulen werden Schüler*innen mit Beeinträchtigung gesetzt, ohne zusätzliche Fachkräfte. Die CDU nennt das dann „Inklusion“. Die aktuelle Idee, Quereinsteiger*innen vor die Klassen zu stellen, ist kaum besser als jene, mit Russisch Brot Lehrkräfte anzuwerben. Sicherlich wird es unter diesen auch kluge und pädagogisch bewanderte geben. So kann z.B. ein Diplom-Biologe Bio-Lehrer werden – dies habe ich selbst erlebt. Aber in der Regel fehlt den Quereinsteiger*innen die pädagogische Ausbildung. Ein*e Dozent*in meinte neulich zu mir, ich solle mir gut überlegen, ob ich wirklich in Sachsen bleiben wolle. Völlig absurd, aber der sächsischen Realität geschuldet. Soweit, so bekannt. Doch dort kann unsere Kritik am Bildungssystem und der Bildungspolitik der sächsischen CDU nicht enden. Schulen sind Lernfabriken, neoliberale Konkurrenz geht erlernt, Schulnoten pressen Menschen in schlichte Bewertungsmuster, Schüler*innen wie Lehrer*innen sind im Lehrplan gefangen. Im Sachunterricht in der Grundschule steht immer der Igel drin. Wenn die Kinder jedoch über Krieg und die aktuelle politische Lage sprechen möchten, muss ein Zeitfenster gefunden werden. Die große Herausforderung für die nächsten Jahre ist die inklusive Schule. Angenommen, r2g würde mit 51 Prozent regieren: Was würden wir machen? Einige sagen, was in Italien 1977 ging, geht auch heute in Sachsen – „einfach“ die UN-BRK umsetzen. Punkt. Sollte eh schon seit Jahren laufen. Andere sagen, dass wir zuerst die Integration flächendeckend umsetzen müssen und in den nächsten sechs bis sieben Jahren die Schulen umbauen und qualifizierte Lehrkräfte ausbilden und einsetzen müssen. Zwischen diesen beiden Punkten laufen Fachdiskussionen. Zugegeben, beim Thema Schule fühlen sich fast immer alle als Expert*innen. Den Weg mal beiseite, entscheidend ist das Ziel. Ich möchte folgendes skizzieren: In einer Schule für alle lernen Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam. Förder- bzw. Sonderpädagog*innen lehren mit den Klassen- und Fachlehrer*innen im TeamTeaching zu zweit vor 20 Schüler*innen. Die Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung ist immer abrufbar und wird nicht nach Etikett zugeteilt. Rahmenpläne stellen sicher, was grundlegend vermittelt werden soll (lesen, schreiben, rechnen, was war Auschwitz). Schüler*innen treffen demokratisch mit dem Personal Entscheidungen für die Schule (one woman* – one vote). Zeugnisse und regelmäßige Reflexionen zum Lernfortschritt werden schriftlich vom Team erstellt. Schulsozialarbeiter*innen und Psycholog*innen begleiten die Schüler*innen bei Problemen. Wenn wir ein solches, noch unvollständiges Bild einer idealen Schule im Kopf haben, kommen wir zum Kern der Sache und somit zum Ausgangspunkt: Wir brauchen mehr Lehrer*innen, das Gehalt muss den Westbundesländern angeglichen werden, die Stunden pro Woche müssen sinken. Team-Teaching und kleinere Klassenteiler fordern a) noch mehr Lehrkräfte und b) eine gute Infrastruktur, vor allem in ländlichen Raum. Ja, die Vorstellungen vom Jugendverband scheinen noch fern, doch wenn wir mit der Einstellungspolitik beginnen, sind wir auf dem richtigen Weg. Seit über zwei Jahrzehnten geht es bergab in Sachsen. Es wird Zeit, mehr mit SPD und Grünen zu reden und die Gewerkschaften zu ermutigen, den Mund aufzumachen. Der LandesSchülerRat, der zum Beispiel die Forderung nach Abschaffung der Schulnoten nicht mit der Linksjugend teilt, scheint in der Öffentlichkeitsarbeit kontra CDU vorbildlich. Von den Jusos hört man bundesweit vermehrt, „keine weitere große Koalition“, „für RotRot-Grün“ (Johanna Uekermann, Juso-Vorsitzende). Das kann uns als LINKE Mut machen.

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Wohin führt Nationalismus?

Alle Jahre wieder steht ein internationales Herren-Fußballevent auf dem Plan. Alle Jahre wieder nutzt die sächsische CDU dies als Aufhänger für die Forderung nach einer neuen „Patriotismusoffensive“. Und alle Jahre wieder kriechen die „Partypatriot*innen“ hervor, um den nationalismuskritischen Volksverräter*innen zu zeigen, dass ihr Patriotismus ganz harmlos sei und sich nur auf die Erfolge der Nationalmannschaft bezieht. Dass dem nicht so ist, wurde bereits am Beispiel des WM-Finales 2014 bewiesen.1) Doch was ist Nationalismus, woher kommt er und wohin führt er? Eine allgemein geläufige Definition von Nationalismus lautet etwa, dass dieser die Überhöhung der eigenen Nation (also beispielsweise „dem Kollektiv der Deutschen“) über andere Nationen ist. Dem*der Nationalist*in werden Sätze wie „Deutschland über alles“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder andere nachgesagt. Der Patriotismus dagegen wird als der „kleine Bruder“ des Nationalismus gehandelt. Er sei lediglich die Liebe und der Stolz zur eigenen Nation, der andere nicht abwertet. Auch diese Abgrenzung ist Quatsch, wie bereits vor Jahren bewiesen wurde.2) Jetzt haben wir zwar mit Definitionen um uns geschmissen, so richtig an den Kern der Sache, nämlich was die Nation ist, sind wir noch nicht gelangt. Historisch betrachtet stellte die Idee der Nation für das Bürgertum die verwirklichte Freiheit dar. Als historische Idee stand sie für die Überwindung des Feudalismus hin zu einem Verein freier Bürger*innen. Die Verwandlung der unmittelbaren Herrschaft der Fürsten zur vermittelten Herrschaft von Ware und Kapital stellte jedoch nur einen Fortschritt, nicht das Heraustreten aus der gewaltförmig organisierten Gesellschaft dar. Das Konstrukt Nation nun ist im Sinne dieser Analyse eine Form von Herrschaft, die die Gesellschaft organisiert. Nation konstruiert eine Gemeinschaft („Die Deutschen“), die sich als einheitlich präsentiert. Diese Einheit kann ausschließlich mit dem Uneinheitlichen („Die Anderen“) gedacht werden. Das Kollektiv Nation fungiert nun als eine Art Schicksalsgemeinschaft, die die Gewaltförmigkeit des Kapitalismus transzendiert und als eine Art „Naturhaftes“ darstellt. Sich für Deutschland zu Tode zu arbeiten ist etwas Schicksalhaftes, das nicht zu hinterfragen ist. In diesem Sinne wird nun aber alles au- ßerhalb der Nation stehende als Böses betrachtet – seien es ausländische Kokurrenzkapitale, der „amerikanische Raubtierkapitalismus“ oder ganz plump die Juden™, die immerfort versuchen, die gute deutsche Wirtschaft, also die Nation, zu schädigen. Diese Argumentationsstrategien finden sich vielfach im modernen Diskurs wieder – nicht nur in Deutschland. So beschwören beinahe alle europäischen Staaten, dass die Aufnahme Geflüchteter ihre nationale Einheit bedrohe – das Außen bedroht wieder einmal das Innen. Daran geht die Idee Europa und ihre Institution EU als postnationales Projekt kaputt – anstatt sich um die Lö- sung der Krise zu kümmern, werden dutzendfache nationale Einheiten beschworen. Ein Regress, der dem modernen Nationalismus innewohnt. Dazu wird am 16. Juni. ausführlicher ein Referierender aus Plauen mit uns diskutieren. Über die Spezifik der deutschen Nation, die sich schon immer völkisch und nicht staatsbürgerlich konstituierte, referiert am 23. Juni Anne Helm im Lokomov, wenn sie über postnazistische Verschwörungsideologien, die sich prima im sich renationalisierenden Deutschland integrieren, referiert.

1) Eine Chronik von „Netz gegen Nazis“: http://gleft.de/1la

2) Der Jenaer Psychologe Christopher Cohrs schreibt dazu: „Menschen mit patriotischen Einstellungen lehnen Nationalismus nicht ab. Vielmehr geht beides oft Hand in Hand.“ (Vgl. http://gleft.de/1lb)

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Extremismusmisere: politische Handlungen nach Motiven und Folgen untersuchen

Obwohl uns die Eigenheiten der sächsischen Justiz durchaus vertraut waren, herrschte in unserer Gruppe am Montag erst mal ungläubiges Staunen, als wir lesen mussten, dass der Polizist, der im Februar 2015 einen jungen Antifaschisten beim „Cegida“- Gegenprotest geschlagen hatte, freigesprochen wurde. Der zuständige Richter argumentierte, der Schlag in die Magengrube sei ein verhältnismäßiges „Mittel der Schocktechnik“. Dieses Wort meint Handlungen von Vollzugsbeamten, die den Widerstand eines Festgenommenen brechen sollen. Das Problem: Der junge Mensch hatte sich gar nicht gegen seine Festnahme gewehrt. Dennoch bewertete das Landgericht, anders als die Erstinstanz, die Tat als legitim und bewahrte den Polizisten damit vor einer Geldstrafe. Die Idee, die dahinter steht, findet sich inzwischen auch in vielen Reaktionen auf das Urteil: Um echte oder vermeintliche Feinde des Staates abzuwehren, darf ein Vollzugsbeamter auch Gewalt anwenden, die in anderen Kontexten unverhältnismäßig wäre. Um diese Politik praktisch zu machen, ist es notwendig, jungen Antifaschist*innen generell zu unterstellen, sie seien gewalttätig und staatsfeindlich. Folgerichtig äußern sich auch viele Kommentator*innen: Der Demonstrierende habe Pech gehabt, wer Steine werfe, sei selbst schuld, wer eine Straftat begehe, müsse nun einmal damit rechnen. Dass auf der Versammlung keine Steine geschmissen wurden (übrigens bisher an keinem Montag) und der junge Mann auch keine Straftat begangen hatte, interessiert hier nicht. Dass der Staat sich von sogenannten Linken trotzdem bedroht sieht, erkennt man auch in der Reaktion auf die Ausschreitungen vom 12. Dezember in der Leipziger Südvorstadt. Auf die Ankündigung faschistischer Gruppen, an diesem Tag den linken Stadtteil Connewitz in Schutt und Asche zu legen, folgte ein Polizeieinsatz, der sich von Deeskalation völlig verabschiedet hatte und damit auch dazu führte, dass einige linke Gegendemonstrant*innen mit entsprechender Gegengewalt antworteten. Die Reaktionen auf diesen Tag waren teilweise abstrus: Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung sprach von „offenem Straßenterror“. Was daran interessant ist? Nach Leipzig waren sich wichtige oder weniger wichtige Politiker*innen nicht zu schade, hartes Vorgehen gegen die Gewalttäter*innen zu fordern und Dinge wie Gummigeschosse ins Gespräch zu bringen. Gleichzeitig war es nach den Randalen in Heidenau, den Angriffen in Freital und unzähligen anderen Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Heime auffallend still. Niemand sprach von Terror. Niemand wollte Gummigeschosse einsetzen oder die Demonstrierenden als das bezeichnen, was sie sind: Rassist*innen, Faschist*innen, Nazis. Stattdessen wurde allzu oft ein politischer Hintergrund ausgeschlossen. Die Schlüsse, die man aus dieser Haltung zieht, sind klar: insgesamt betrachtet sind sogenannte „Linksextremist*innen“ schlimmer als „Rechtsextremist*innen“. Diese Wichtung wird auch nicht relativiert durch die Aussage von Herrn Jung nach dem Naziüberfall auf Connewitz vom 11. Januar, dass auch dies „offener Straßenterror“ sei. Vielmehr wird hier die ganze Misere deutlich: Obwohl das Ausmaß der Gewalt deutlich unterschiedlich war, ist es für den OB offenbar kein Unterschied. 1) Den Ursprung der Misere findet man in der sogenannten Extremismustheorie. Wird sie eingesetzt, um politische Aktionen zu bewerten, dann werden Motive und Auswirkungenausgeblendet. Das Augenmerk liegt einzig und allein in der Haltung der Akteur*innen zum Staat. Die Folge: Kräfte, die als linksextremistisch gelten werden gleichgesetzt mit denen, die rechtsextremistisch seien. Die jeweiligen Taten werden als gleichwertig angesehen. Will heißen: Eine entglaste Bushaltestelle und ein brennendes Asylsuchendenheim sind „gleich schlimm“. Man erkennt schon an diesem Beispiel, dass die Extremismustheorie einzig und allein den Sinn hat, linke Politik zu diskreditieren. 2) Indem sich damit der Fokus noch weiter gen links verschiebt, verlieren politische Akteur*innen Aktivitäten von rechts aus dem Auge. Damit ist erklärbar, wie es zu einem solch exzessiven Anstieg rechtsterroristischer Gewalt wie in Sachsen 2015 kommen konnte, während Staat und Polizei damit beschäftigt sind, vermeintliche „Linksextremist*innen“ zu verfolgen. Die Folgen dieser Politik sind verheerend: Ausländisch gelesene Personen befinden sich in Sachsen mehr und mehr in einer dauerhaften Bedrohungssituation, Linke werden von Staat und Nazis gleichzeitig verfolgt und auch der Staat verliert mehr und mehr seine Legitimationsgrundlage, weil es ihm nicht gelingt, brennende Geflüchtetenheime als das zu benennen und zu verfolgen, was sie sind: rechter Terrorismus. Damit geht der Schuss, Staatsfeind*innen zu denunzieren und zu verfolgen, nach hinten los. Ein Ausweg aus der Extremismusmisere wäre es beispielsweise, politische Handlungen nach Motiven und Folgen zu untersuchen. Dann würde man klar erkennen, dass das Motiv hinter Naziaktivitäten Menschenfeindlichkeit ist und ihre Folgen tendenziell tote Menschen sind. Man könnte genau so wirksam linke Akte klassifizieren, ohne sich Bedrohungsszenarien ausdenken zu müssen, in denen der Schwarze Block überall im Lande kommunistische Kommunen errichtet und die staatliche Ordnung zerstört.

1) Am 12. Dezember brannten neben Holzbarrikaden auch Mülltonnen. Außerdem waren entglaste Bushaltestellen und eine kaputte Bank zu beklagen. Am 11. Januar zogen mehrere hundert Nazis durch Connewitz, zerstörten etwa 30 Geschäfte und setzten eine Wohnung in Brand.

2) Dass auch historisch gesehen die Motivation hinter der Extremismustheorie Antikommunismus war, legt Wolfgang Wippermann sehr schön dar: http://gleft.de/1at

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Denen es nicht egal ist

Viele Menschen sitzen am Abend nach einem Arbeitstag im Wohnzimmer, sehen Nachrichten und denken sich dann: „Ach, die armen Flüchtlinge!“, wenn sie die Bilder der Familien mit schweren Taschen auf ihrem Weg ins sichere Europa sehen. In der Flüchtlingsfrage ruhen sich Bund und Länder auf der Arbeit der vielen Ehrenamtler*innen aus, obwohl es an allen Ecken der Unterstützung bedarf. Es wirkt täglich so, als hätte die schwarzrote Regierung kein Konzept. Sach- und Geldspenden kommen von Helfer*innen, in den Unterkünften arbeiten neben dem DRK auch einige Menschen, die das gar nicht müssen, unterstützen die Camps aber bei der Essens- und Kleidungsausgabe. Manche Leute betreuen einzelne Geflohene privat mit Deutschunterricht, lassen Flüchtlinge bei sich wohnen oder zeigen und erklären ihnen das Land, in dem sie jetzt wohnen. In all diesen Punkten gibt es bisher viele gut organisierte Initiativen. Eine Sache ist da aber: Wenn Refugees von einem Bundesland ins nächste geschickt werden, um ihr Heim zu beziehen, geschieht das oft mit der Bahn. Man setzt also Menschen, die die Landessprache nur bedingt sprechen, in einen Zug und lässt sie an Orte fahren, von denen sie noch nie gehört haben. Vom Ankunftsbahnhof bis zur Unterkunft sind es im konkreten Fall Chemnitz etwa 30 Minuten: Mensch fährt eine Station mit einem RE und dann geht’s durch schlecht beleuchtete Straßen mit kaputten Fußwegen. Tagsüber scheint das noch machbar, abends und nachts sieht das ganz anders aus. Bis ungefähr um 1:00 Uhr kommen Züge am Chemnitzer Hauptbahnhof an. Ich bin die Strecke ab und zu selbst gelaufen, wenn mich Flüchtlinge bereits Anfang August um Hilfe gebeten haben. Das ist unzumutbar, oder wie es der Chemnitzer Willkommensdienst (info@welcometo-chemnitz.org) auf www.goods4refugees.org schreibt: „Der Weg dorthin ist in Dunkelheit kaum zu finden, unsere Begleitung ist wichtig für die erschöpften und verunsicherten Menschen.“ Die Initiative entstand Mitte September und hat mittlerweile mehr als 150 „Mitglieder“. Sie begleiten die Ankommenden bis zum Heim, und erklären ihnen, wo sie sind. Das sind Menschen, denen es nicht egal ist, was mit denen um sie herum passiert. Sie könnten genausogut am Abend nach einem Arbeitstag im Wohnzimmer sitzen und es könnte ihnen egal sein, ob die Frauen, Männer, Kinder, Alten, Kranken und von der Flucht verwundeten und traumatisierten Flüchtenden sicher ankommen. „Warum hilfst du beim Chemnitzer Willkommensdienst?“, habe ich Fatih gefragt (alle Namen geändert). „Vor einem Jahr war ich selbst noch auf der Flucht. Ich kenne die Gefühle, die Situation der Leute.“, berichtet er „Sie sind dankbar für jedes Lächeln – Lächeln ist wertvoll in dieser Zeit – und sie sind dankbar für jede Hilfe. Die Menschheit ist eine Familie, alle Brüder und Schwestern. Eine Familie hält zusammen.“, schildert er. Das klingt harmonisch, wenn man die verhassten Familienmitglieder namens Pegida, NSU, AfD außer Acht lässt. Bei der Frage, ob Fatih während des Dienstes etwas Prägendes erlebt hat, sieht man in seinen Augen, dass er die erste Aussage tatsächlich ernst meinte. Er sagt: „Da gibt es vieles: Alte, die frieren, Kinder ohne Eltern … Einmal waren da eine Frau und ein Mann. Sie hatten zwei sehr junge Kinder. Sie hatten kein Geld, keine Winterkleidung. Es war sehr kalt in der Nacht und die Kinder haben geschrien. Sie mussten vor dem Camp eine Stunde warten und hörten nicht auf zu weinen. Das war auch schlimm für mich.“ Lea antwortet mir auf die Frage, was die Regierungen tun sollten: „Das beginnt mit der drastischen, unverzüglichen Bekämpfung der Fluchtursachen, wie z.B. das Beenden der Waffenlieferung weltweit, die gesamte Rüstungsindustrie stoppen […] Aufstockung der Hilfe z.B. für das UNHCR, für alle schon vorhandenen Flüchtlingslager in der Umgebung von Kriegsgebieten“, und das ist nur ein kleiner, dafür konkreter Ausschnitt ihrer Antwort. Eigentlich dürfte es den Willkommensdienst gar nicht geben. Eigentlich müssen sich der Staat und seine Beamten um die Flüchtlinge kümmern, aber die Regierung hat offensichtlich keinen Plan und die Leute vom Willkommensdienst haben die Lücke geschlossen, die sie entdeckt haben. Diese Leute machen einen großartigen Job und zeigen, wie einfach Solidarität umsetzbar ist. Gerade jetzt in den kalten Wintermonaten ist die Arbeit des Willkommensdienstes unabdingbar. Wer also helfen will und kann, der*die meldet sich via Mail an die Helfer, die dankbar für die Unterstützung sind.

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No Future 2.0 oder Was uns nicht tötet, macht uns Angst

Prekarisierung als Herrschaftsinstrument

Um die Rolle der Prekarisierung in der aktuellen Gesellschaftsform zu verstehen, greife ich zunächst zurück auf die Affektheorie des US-amerikanischen „Institute for Precarious Consciousness“. In ihrem Papier „Sechs Thesen über die Angst, warum sie effektiv Militanz verhindert und eine mögliche Strategie zu ihrer Überwindung“ entwickeln sie einen Affektbegriff von bestimmten, zeitlich abhängigen, kollektiven Gefühlen, die im Kapitalismus die Etablierung politischer Utopien effektiv verhindern. In der Frühphase ist dies das Elend der Arbeiter*innenklasse, welche politisches Engagement dieser Gruppe verhindert. Nachdem das Elend durch den sozialen Kampf in den Industriegesellschaften weitgehend verdrängt wurde, griff in der Phase des Fordismus die Langeweile ein. Nachdem auch diese effektiv bekämpft wurde, etablierte sich mit der Angst im Spätkapitalismus der aktuell herrschende Affekt. Ein wichtiges Merkmal eines solchen Gefühls ist, dass er ein offenes Geheimnis ist, welches vielfältigen Verschleierungstendenzen unterworfen ist. So herrschte in der in der Frühphase die Erzählweise vor, dass jede*r es zu Erfolg schaffen könne, während ein Großteil der Arbeiter*innen im Elend lebte. Dieser Kontrast wurde nicht etwa als notwendig falsches Bewusstsein gesehen; vielmehr wurde die Ursache für das Elend der Menschen auf diese selbst projiziert. Das Problem wurde personalisiert. Diese Merkmale findet man auch bei der kollektiven Angst wieder. So werden Depressionen und Burn Out vor allem als Krankheiten gesehen, die innerhalb des*der Kranken entstehen. Inwiefern die Angst reglementiert und unterdrückt, soll im Folgenden ausgeführt werden. Zunächst soll dazu der Zusammenhang zwischen Angst, Prekarisierung und Neoliberalismus gezogen werden. Offensichtlich waren der Umbau der Wohlfahrtsysteme und der Arbeitswelt entscheidend mitverantwortlich für die Etablierung prekärer Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Seien es die Hartz-Gesetze, welche Erwerbslose in die ökonomische und soziale Krise stürzten, sei es die massenhafte Ausbreitung von Leiharbeit und befristeten, schlecht bezahlten Arbeitsverträgen – solche Prozesse führten die Unsicherheit bei den Menschen herbei, welche die Prekarität massiv ausmacht. Als prekär wird also ein Arbeitsverhältnis dann bezeichnet, wenn es deutlich unter dem durchschnittlichen Einkommens-, Schutzund sozialem Integrationsniveau liegt und beim Betroffenen subjektiv mit dem Empfinden von Sinnverlust, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheit einhergeht.1)  Als Folge dieses Empfindens manifestiert sich bei prekär Arbeitenden und Lebenden das angesprochene Gefühl der Angst. Sie wird verstärkt durch staatliche und mediale Repression, wie den Überwachungswahn oder auch TV-Sendungen, die persönliche Geschmäcker reglementieren und normieren.

Warum wir über die Angst sprechen müssen

Der Grund für diese weitreichende Einführung liegt in den Folgen der herrschenden Angst auf unsere politische Arbeit und unser Leben im Allgemeinen. Zum einen belastet die Personalisierung vor allem psychisch Kranke massiv, da sie für ihre Krankheit verantwortlich gemacht werden, obwohl dem größtenteils nicht so ist. Solange die systemischen Ursachen von Depressionen und Burnout nicht klar sind, ist es kaum möglich, die weitere Ausbreitung dieser Krankheiten effektiv einzudämmen. Indem die Angst verschwiegen wird, besteht die Gefahr des Projizierens „nach unten“. Der PEGIDA-Rassismus ist das Resultat eines solchen Prozesses, wo für die eigenen Existenzängste verantwortlich gemacht werden, welche „uns die Arbeit wegnähmen“. Außerdem hemmt die Angst – ähnlich wie beim Elend im 19. Jahrhundert – unsere politische Handlungsfähigkeit. Solange wir uns darum kümmern müssen, dass unser einjähriger Arbeitsvertrag regelmäßig verlängert wird, haben wir keine Zeit, uns mit politischen Utopien auseinanderzusetzen, die eine Zukunft fernab des Kapitalismus‘ zeichnen. Das Nichtaussprechen persönlicher Ängste verschleiert die Machtverhältnisse im aktuellen System. Außerdem erzeugt die Unsicherheit und gefühlte Ausgeliefertheit gegenüber dem System Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht, welche politische Arbeit als sinnlos und zeitverschwendend abtut.

Was tun?

Das „Institute for Precarious Consciousness“ schlägt im oben angesprochenen Text auch eine Lösung in Form einer prekaritätsorientierten Bewusstseinsbildung vor. Demnach sollen sich Handlungsperspektiven nicht aus bestehenden Theorien entwickeln, sondern vielmehr aus unseren Erfahrung. Zunächst ist dazu nötig, in einer Gruppe über persönliche Erfahrungen mit Prekarität und der Angst zu sprechen. Dadurch werden einerseits Informationen gebündelt, andererseits transformiert sich das offene Geheimnis der Angst in ein Faktum. Infolgedessen ist es nötig, die gesammelten Erfahrungen zu theoretisieren und die systemische Natur der Angst offenzulegen. Einerseits lässt sich durch das Veröffentlichen dieser gewonnenen Informationen die Deutungsmacht über das eigene Gefühl wieder gewinnen, anstatt dem System die Personalisierung der Angst zu überlassen. Andererseits wird dadurch die Angst in Wut gegen den Urheber, also das System transformiert. Erst mit dieser Wut – gesetzt dem Fall, dass sie (selbst-) reflektiert ist – wird es wieder möglich sein, ernsthafte politische Utopien zu denken, zu formulieren und als realistisch anzusehen.

1) Brinkmann, Dörre, Röbenack, Prekäre Arbeit, Bonn 2006, Seite 17

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ICH BRAUCHE GELD, …

… viel Geld. Der einzige Weg zum Ziel: ARBEIT. Ich begab mich schnell auf die Suche nach einem annehmbaren Job, der mir auch durchaus Spaß machen könnte. Ich liebäugelte sofort mit der Stelle als Promoterin. Ich war froh, fast schon euphorisch, denn ich hatte einen Monat Arbeit vor mir in Berlin, Hamburg oder Frankfurt, die Unterkunft sollte mir gestellt werden. Perfekt: Tagsüber Geld verdienen und sich gleichzeitig für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit einsetzen und abends in das Nachtleben der Großstadt eintauchen. Für mich der Ausweg aus dem ewigen Dorfidyll in eine grenzenlose Autarkie, in der ich Verantwortung übernehme und mich selbst ausprobiere … Sorgen oder Ängste hatte ich gegenüber diesem Job nicht, ich sah alles als Herausforderung an und wollte diese annehmen. Ich freute mich auf kontroverse, interessante Debatten mit den verschiedensten Menschen aus allen Milieus. Das ist das, was ich als junger, aktiver Mensch wollte, vier Wochen lang Erfahrung auf der Straße einer Großstadt sammeln und nebenbei Geld verdienen. Es kam nun endlich der Tag, an dem alles begann. Hochmotiviert machten wir uns alle am Sonntag auf den Weg zu der notwendigen Schulung vor Arbeitsbeginn auf der Straße. Super, es war gemeinsames Frühstück angekündigt – Kaffee, Kippchen, Essen und mit netten Menschen in den Sonntagmorgen starten. Wir kamen an, die Teamleiter_in war da und jeder von uns bekam ein Glas Leitungswasser und es sollten neun Stunden Schulung beginnen, tolles Frühstück! Die Schulung war anstrengend und für mich auch etwas grotesk. Wir bekamen einen Gesprächsleitfaden eingehämmert und sollten diesen im Schlaf herbeten können, immer wieder übten wir lächeln und wie wir am besten unauffällig den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Spontanität? Sich einfach auf den Menschen, der vor einem stehen wird, einstellen? Spontane Diskussionen? NEIN! – An diesem Punkt ging mein Traum von kontroversen Diskussionen mit Menschen verloren. Ich merkte, ich sollte keinen kennenlernen und mit ihm die Meinung über Missstände in aller Welt austauschen und mich selbst weiterentwickeln und die Menschen vielleicht zum Nachdenken anregen … Ich sollte den Menschen ihr Geld nehmen. Irgendwie nahm die Schulung kein Ende, als ich dachte, ich kann alles und bin bereit für den nächsten Tag, meinte die Teamleiter_in, es sei noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Im Folgenden lernten wir auswendig, wie wir auf Aussagen von Passant_innen antworten, spontan und situationsabhängig? NEIN! Es wird allen das gleiche erzählt, keiner der Menschen wird individuell behandelt, denn es führt nur ein Weg zum Ziel! Die vorgeschriebenen Antworten gefielen mir teilweise nicht und ich sagte auch, dass ich solche Dinge nicht auf der Straße sage. Dinge wie: „Auf der Straße unterschreibe ich nicht, denn ich wurde schon oft enttäuscht von solchen Organisationen“, sollten so beantwortet werden: „Klar, das verstehe ich, aber schau mal, wenn du einmal von einem Mädchen enttäuscht oder hintergangen wurdest, hörst du doch trotzdem nicht auf, den Mädels auf der Straße hinterher zu schauen.“ Und nun: Das erste Mal auf der Straße stehen … unser Teamleiter war weg und wir waren von der ersten Minute auf uns selbst gestellt. Wir waren zu viert und tauschten uns natürlich auch zwischendurch aus und erzählten uns von Gesprächen, Erfolgen und Misserfolgen. In so einem Job wird man ständig psychisch belastet, denn die Menschen, mit denen man spricht, haben die verschiedensten Schicksale und Geschichten, die oft schockierend sind und nach solch einem Gespräch brauchte ich erstmal kurz Ruhe und wollte das natürlich auch mit meinem Team besprechen. Dann kam der Teamleiter zurück und es gab heftig Ärger! Wir haben nicht mit den Leuten zu quatschen, wenn wir merken, sie haben etwas zu erzählen, aber kein Geld – dann müssen wir das Gespräch abbrechen, sofort! Wir haben nicht unsere Meinung zu vertreten, wir dürfen nicht wir selbst sein. Wir wurden kontrolliert und überwacht, sobald man nicht lächelte oder Augenkontakt mit einem anderen Teammitglied hatte oder den Gesprächsleitfaden umstrukturierte, gab es sofort ein Einzelgespräch mit Vorwürfen und man bekam gesagt, dass man das schwächste Glied der Gruppe sei und alle anderen nur runterzieht. Mir wurde alle Menschlichkeit verboten, sobald ich sie leben wollte und ich selbst war, kam die Teamleiter_in und es gab Ärger und einen Anruf beim Chef, ich fühlte mich persönlich angegriffen und unterdrückt. Ich fühlte mich wie eine Maschine, die zwanghaft programmiert wurde, um Geld heranzuschaffen. 19 Uhr endlich vorbei, ich freute mich darauf, wieder ich selbst zu sein und nicht anderen Menschen etwas vorspielen zu müssen, weil ich Geld von ihnen haben möchte. Tja, Fehlanzeige, wie gesagt, was im Vertrag steht, ist doch egal! Wir arbeiten natürlich länger, machen unbezahlte Überstunden und bei einer vorsichtiger Nachfrage, warum wir immer noch arbeiten müssen, kam die Antwort: „Ich bestimme, wann Schluss ist und nicht ihr. Wir machen so lange, bis jeder die vorgegebene Anzahl an Spendenverträgen abgeschlossen hat.“ Als die Teamleiter_in endlich beschloss abzubauen, mussten wir noch eine Stunde in das Büro fahren für eine Teambesprechung und um aufzuräumen. In der ersten Teambesprechung gab es kein positives Feedback, nein wir wurden fertig gemacht, kritisiert und beleidigt. Nach dem ersten Tag fühlte ich mich wie ein Wrack – ich wollte und konnte nicht mehr. Ich wollte es mir selbst beweisen und machte weiter – doch die Unterdrückung hörte nicht auf. Unsere Gruppe war ein Dorn im Auge der Organisation! Wir verstanden uns untereinander zu gut, wir fragten zu viel nach und erlaubten uns sogar zu kritisieren – Oh mein Gott, wir nahmen es uns raus, unsere eigene Meinung frei zu sagen! Ich verstand die Welt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr – ich erzählte den Menschen, dass sich die Organisation für Menschenrechte wie Meinungsfreiheit auf der ganzen Welt einsetzt und dafür tagtäglich kämpft, aber mir selber wurde als Arbeiterin der Mund verboten? Ja das war die Realität, der Kampf um Gleichberechtigung und Humanität wurde instrumentalisiert, um Menschen mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn das Geld aus der Tasche zu ziehen. WILLKOMMEN IM KAPITALISMUS. Ich hielt es nicht lang durch, bei dem Satz: „Menschenrecht ist nicht gleich Arbeitsrecht!“ musste ich einfach gehen. Ich arbeite nicht für eine wohltätige Organisation, die mich so verbiegt, damit ich funktioniere wie eine Maschine. Mein Traum von Großstadt und aktiver Arbeit war geplatzt. Völlig übermüdet, psychisch zerstört und traurig fuhr ich in mein Dorfidyll zurück. Es fühlte sich an wie ein Sektenaustritt, denn ich war endlich wieder frei! Ich durfte endlich wieder meine Meinung sagen, ich durfte wieder ich selbst sein ohne als aggressive, organisationsgefährdende, linke Feministin abgestempelt zu werden. Wieder kein Geld …

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LINKE Kommunalpolitik hat viele junge Gesichter

Am 29. März trafen sich in Chemnitz über 35 junge linke Menschen aus ganz Sachsen, die teilweise schon ein kommunales Mandat innehaben bzw. sich für Kommunalpolitik interessieren. Organisiert hatte dieses Vernetzungstreffen die Linksjugend Sachsen. Ziel war es, dass sich die jungen Kommunalpolitikerinnen, die zumeist in ihren Regionen Einzelkämpfer sind, einmal austauschen können und zu bestimmten Themen ihre Fragen loswerden können. In verschiedenen Workshops wurden dann die eigenen Erfahrungen ausgetauscht, Probleme erörtert und Ideen für kommunale Projekte gesammelt. So beschäftigte sich ein Workshop mit dem Kommunalhaushalt, wo an praktischen Beispielen gezeigt wurde, wie man diesen lesen und verstehen kann sowie Änderungsanträge dazu stellt. In einem anderen Seminar wurde das Thema Hauptsatzung und Geschäftsordnung behandelt. Schon in den ersten Diskussionsrunden zeigte sich, wie wichtig dieses Thema ist. Gerade bei den Rechten eines jeden Kommunalpolitikers gab es Unstimmigkeiten, die häufig durch die kommunalen Verwaltungen befördert wurden. So konnte z.B. geklärt werden, dass die Verwaltung nicht den Geschäftsführer einer Fraktion bestimmen kann. Im dritten Workshop ging es konkret zur Sache – nämlich Projektfindung. Was kann man in einer Kommune gestalten, wie muss bzw. kann man vorgehen und wer sind die richtigen Ansprechpartner. Dass so ein Treffen nicht einmalig sein wird, darüber waren sich die Teilnehmerinnen alle einig. Mindestens einmal im Jahr soll so etwas zukünftig stattfinden, evtl. auch in Verbindung mit Weiterbildungsseminaren. Aber auch dazwischen soll ein reger Austausch stattfinden. Dazu soll u.a. ein Forum im Internet eingerichtet werden, wo Anträge eingestellt und Fragen untereinander geklärt werden sollen. Das Treffen hat auf alle Fälle gezeigt, dass junge Menschen keineswegs politikverdrossen sind. Im Gegenteil – gerade die Politik vor Ort ist für viele interessant, wo sie gerne mitmischen wollen.

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„Kämpfe vereinen!“ – Demonstration zum Frauenkampftag

Der Internationale Frauentag wird nun seit dem frühen 20. Jahrhundert jährlich gefeiert, traditionell werden an diesem Tag Nelken an Frauen verteilt. Außer Blumen wurde Informationsmaterial von der Linksjugend [‘solid] und der Linken verteilt. Ein Novum allerdings ist, dass es neben Material und Blumen dieses Jahr auch eine Frauenkampftagsdemonstration in Leipzig gab. Letztes Jahr fand die Demo in dieser Form zum ersten Mal in Berlin statt, wozu bundesweit mobilisiert wurde. Die Idee dahinter ist, aus dem internationalen Frauentag wieder einen politischen Kampftag werden zu lassen, der weltweit für Selbstbestimmung der Frau eintritt. Dieses Jahr sollte neben Berlin bundesweit dezentraler demonstriert werden und so lud das Leipziger Frauenkampftagsbündnis, welches aus verschiedenen feministischen Bündnissen aus Leipzig bestand, zu einer eigenen Demonstration nach Leipzig ein. Die Demo lief unter dem Motto „Kämpfe vereinen! Für eine revolutionär-feministische Perspektive ! Gegen Sexismus und Patriarchat!“ und hatte das Ziel feministische Themen mehr in die Öffentlichkeit zu rücken und Diskriminierungen zu kritisieren. Obwohl die Mobilisierung relativ kurzfristig lief, kamen letztendlich doch fast tausend Menschen und liefen inklusive Zwischenkundgebungen am Augustus- und WilhelmLeuschner- Platz vom ClaraZetkin-Denkmal zum Südplatz. Das ist ein großer Erfolg. Feminismus und feministische Gesellschaftskritik scheint für viele Menschen ein großes Anliegen zu sein und scheint, wenn auch oft verleugnet, weder veraltet noch unaktuell zu sein. Der große Zulauf und die unterschiedlichsten Teilnerhmer_innen und Gruppen stimmen uns sehr positiv und haben aus der Demo eine bunte und vielseitige Demonstration gemacht. Auf den unterschiedlichen Kundgebungen wurde unter anderem zum Thema Intersektionalität (also Geschlechterdiskriminierung in der Verbindung mit anderen Diskriminierungen wie Rassismus und Transphobie) gesprochen. Natürlichen wurden auch andere Themen angesprochen (wie zum Beispiel Gewalt gegen Frauen, Sexismus und Antifeminismus in der linken Szene und die fehlende Wertschätzung der Arbeit von Frauen in der Haus- und CareArbeit), ebenfalls gab es einen Redebeitrag zur kurdischen Frauenbewegung. Außerdem wurde der christlich-fundamentalistische Schweigemarsch durch Annaberg-Buchholz thematisiert. Dieser soll am 1. Juni stattfinden und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau über den eigenen Körper gerichtet sein. Der Gegenprotest dazu ist bereits in Planung: www.schweigemarsch-stoppen.de Weitere Informationen rund um den Frauenkampftag in Leipzig findet ihr auf 8maerzleipzig.blogsport.eu

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„ …, aber man muss ja mal mit denen reden.“

Seit dem Beginn der Pegida Demonstrationen im Oktober des letzten Jahres und der nachfolgenden regionalen Ableger, wird quer durch die Zivilgesellschaft und in allen Parteien über den Umgang mit diesem Phänomen gestritten. Viel wurde diskutiert, wer sich denn eigentlich hinter den Demonstrierenden verbirgt und was genau ihre Forderungen sind. Die Fragen nach dem Wer und nach dem Was sind nicht einfach zu beantworten. Klar ist, dass dort neben organisierten Neonazis, Reichsbürger_innen und Verschwörungstheoretiker_innen auch die netten Nachbar_innen aus dem Dorf und dem Wohnblock mitlaufen – alle zusammen bezeichnen sie sich aber stets als „besorgte Bürger“. Das Spektrum der Teilnehmenden ist also weit gestreut. Für darüber hinaus gehende Aussagen fehlt derzeit schlicht das belastbare Material, zwei Studien zum Charakter der PEGIDA aus dem Umfeld der TU Dresden disqualifizieren sich beide aufgrund erheblicher methodischer Mängel. Und weil einer der verantwortlichen Professoren unverkennbare Sympathien für die Aufmärsche zeigte. Hierüber gelangen wir unmittelbar zur Frage des „Was“. Was sie denn eigentlich fordern und wollen. Offen zeigt sich, dass der „Forderungskatalog“, der je nach regionaler Ausprägung mal bürgerlich bis offen neonazistisch daherkommt, in keinem Falle einem Faktencheck standhielte. Die meisten der Forderungen finden sich bereits in geltenden Gesetzen und Vorschriften wieder. Mehr aber zeigen die wütenden Skandierungen auf den Demonstrationen, was den Kern aller X-GIDA ausmacht: die Zurschaustellung einer diffusen Befindlichkeit. Es geht um das öffentliche Präsentieren von Ressentiments, von selektiver Wahrnehmung, die alles ausblendet, was nicht in die vorgefertigte Meinung passt. Von rassistischen, nationalistischen und islamophoben Einstellungen. Von dem Gefühl des Zu-kurz-gekommen-Seins. Dass „die da oben“ ja eh nichts machen – und wenn doch, dann immer alles falsch. Imaginierten wie tatsächlichen gesellschaftlichen Herausforderungen werden vermeintlich einfache Lösungen gegenübergestellt. Zum Beispiel: „Zu wenig Geld und soziale Fürsorge für Rentner_innen? Die vielen „Ausländer“ sind schuld, die müssen weg.“ In Sachsen? Ehrlich jetzt?! Machen wir uns doch einmal ein klareres Bild. Es gibt eine Vielzahl von Problemen und Fragestellungen, von Sozialpolitik über das Bildungssystem hin zur Wirtschaft und noch viele andere. Wir leben in einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft. Deshalb verbieten sich simple Schlagwort-Antworten und Schuldzuweisungen an jene, die gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Klare Analyse muss sich dem Ressentiment entgegenstellen. Strukturelle Diskriminierung muss entlarvt und nicht für die Krise ein Subjekt gefunden werden, auf das sich alle Schuldzuweisungen abladen ließe. Bedenklich ist allerdings, welches Verständnis von Politik sich bei den Sympathisant_innen von PEGIDA und Co zeigt. Politik gerät zur Dienstleistungsgesellschaft, politische Entscheidungen zur Ware. Ich will jetzt, also macht mal. Von gesellschaftlichem Interessenausgleich und von Minderheitenschutz, dem Kern einer pluralistischen Gesellschaft, keine Spur. Und wenn dabei Grundrechte aufgehoben werden sollen, wie etwa das Recht auf Religionsfreiheit oder das Recht auf Asyl, dann haben „die da oben“ das auch so zu machen. Wenn nicht, spiele ich die beleidigte Leberwurst und rufe was von „Lügenpresse“. Und noch hinterher etwas von „Wir sind das Volk“ um allen klarzumachen, wer denn nicht zum Volk gehören darf. Denn fügt man den stillen Nebensatz an, zeigt sich die Intention des Gesagten: „Wir sind das Volk – und ihr eben nicht.“ Liebe Genoss_innen, worüber also mit den Anhänger_innen von rassistischen Mobilisierungen reden? Sparen wir uns da den Atem und konzentrieren uns lieber auf jene, denen keine Stimme zuteil wird seitens Staatsregierung und Bildungszentrale. Stehen wir solidarisch für jene ein, die vom Mob bedrängt werden: migrierten Menschen, Geflüchteten und allen anderen, die nicht in die verengte Weltsicht von EnemenemuhGIDA passen. Bleiben wir weiter bei jenen, die seit vielen Jahren Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben, ohne dass sie groß Beachtung finden und dabei auf ein ausgrenzendes „Wir“ gegen „Die“ verzichten. Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse und deren bissige Offenlegung ist der Kern linker Politikgestaltung – fallen wir nicht dahinter zurück, in dem wir rassistischen Schreihälsen ein Podium liefern. PS: Der PEGIDA e.V., eine Organisation von zwölf Leuten, die für sich in Anspruch nimmt, die „schweigende Mehrheit“ der Deutschen zu repräsentierten, zerbricht daran, dass sie ihre jeweiligen Interessen nicht aushandeln können. Ah ja. PPS: Am Abend des 6. Februar standen Nazis mit Fackeln vor einer Asylunterkunft in Dortmund. PEGIDA und Konsorten schaffen ein gesellschaftliches Klima, in dem sich Nazis als Vollstrecker von „Wir sind das Volk – und ihr eben nicht“ fühlen dürfen. Genug gesagt.